Vom Labor auf die Bühne: Ikkimel wäre beinahe Neurowissenschaftlerin geworden
Karriereplan statt Künstler-Mythos
Bevor Ikkimel im Deutschrap als Provokationsmaschine wahrgenommen wurde, war ihr Alltag ziemlich weit weg von Tourbus und Backstage: Studium, Laborarbeit in der Gehirn- und Sprachforschung, dazu konkrete Pläne für einen Master in Neurowissenschaften - inklusive Auslandsstipendium Richtung Norwegen. Das passt nicht zum üblichen „ich war schon immer Rap“-Narrativ, das viele Rapper pflegen.
Der Bruch kam nicht aus „ich will jetzt berühmt werden“, sondern aus einer privaten Situation: Ihr Vater war schwer krank (Blutkrebs), sie hat ihn gepflegt, war fast täglich bei ihm und hat nebenher nur das Nötigste fürs Studium gemacht. Musik lief in dieser Zeit mit - eher als Ausweg als als Karriereentscheidung. Nach seinem Tod und mitten in Corona stellte sich für sie die Frage, was sie wirklich will, und ob Forschung wirklich der Weg ist.
2021 macht sie’s dann endgültig: „Ganz oder gar nicht.“ Laut eigener Erzählung brauchte es dafür nicht mal ein großes Umfeld, sondern vor allem den Moment, in dem sie es sich selbst eingesteht. Um das zu finanzieren, nimmt sie einen Nebenjob an (u. a. bei DIE PARTEI) und baut parallel die Musik ernsthaft auf - Songarbeit, kleine Auftritte, Schritt für Schritt.
Provokation als Konzept - und der Preis dafür
Wer Ikkimel nur auf S*x-, Drogen- und „Leine an“-Momente reduziert, verpasst trotzdem einen Punkt: Sie sagt klar, dass es keine reine Kunstfigur ist, sondern eine Überzeichnung mit Absicht. Gleichzeitig räumt sie ein, dass nicht jede Line 1:1 „Melina privat“ ist - was wichtig ist, weil viele Debatten so tun, als müssten Raptexte immer ein Beichtstuhl sein.
Genau an dieser Stelle wird’s aber auch angreifbar: Wenn sie Begriffe reclaimt und gegen das Patriarchat schießt, feiern das manche als Selbstermächtigung - andere finden, es kippt zu platt in Feindbild-Rhetorik. Und ja: Die Frage, ob bestimmte Zeilen feministisch sind oder einfach nur zurückbeleidigen, ist nicht komplett aus der Luft gegriffen. Sie selbst hält dagegen: Der Blick sei bei ihr strenger als bei männlichen Rappern mit frauenfeindlichen Texten - ein Doppelstandard.
Der härteste Teil kommt nicht aus der Musik, sondern aus der Reaktion darauf: Sie erzählt von Hate-Wellen, bis hin zu Morddrohungen. Ihre Konsequenz ist ziemlich unromantisch: keine Energie mehr in Leute, die sie nicht respektieren; keine „Erklärbär“-Rolle, weder privat noch beruflich.

