Tahsin Özkan über 4Blocks, seinen Werdegang und Deutschrap

Es vergeht praktisch kein Tag in Rap-Deutschland, in dem nicht der Vergleich mit den Staaten oder mit Frankreich bemüht wird. Viele Fans bescheinigen der hiesigen Rapmusik, im Vergleich zum Ausland nicht bestehen zu können. Dasselbe kann von den Teams rund um die Rapper jedoch nicht gesagt werden. Produzenten und Regisseure aus Deutschland gehören zu den besten der Welt.

Tahsin Özkan

Einer der Gründe dafür, ist Video-Produzent Tahsin Özkan. Der 33-Jährige hat in den letzten Jahren eng mit BushidoShindyMassivCapital BraPa Sports und vielen weiteren zusammengearbeitet. Dabei sorgte er für legendäre Musikvideos und Videoblogs und setzte mit seiner Beteiligung an der Hit-Serie „4 Blocks“ einen Trend. Für all das ist er inzwischen mit etlichen Gold- und Platinschallplatten, sowie Filmpreisen ausgezeichnet worden.

Außerdem produzierte er für den Sender KiKA von ARD und ZDF und bis heute arbeitet er an medienpädagogischen Projekten, für die er 2012 den Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz für sein Hip-Hop Projekt mit Jugendlichen erhalten hat. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie man Regisseur wird, wie er auf Samra und NGEE gestoßen ist und wie die Arbeit in der Deutschrap-Szene ist.

Hi Tahsin, wie geht’s?

Ich lebe meine Leidenschaft und da kann ich nur sagen, dass es mir gut geht.

Als Kind träumen die meisten von einer Karriere als Sportler oder Rapper. Aber wo andere Jugendliche auf den Sportplatz oder ins Studio gehen, hast du dir eine Kamera gegriffen. Warum will man Regisseur werden und anderen das Rampenlicht überlassen?

Seitdem ich denken kann, wollte ich schon immer in die Video-Branche. Als Kind hatte ich mich immer gefragt, wie es hinter den Kulissen wohl aussieht. Serien und Filme wie zB. MacGyver, A-Team, Zurück in die Zukunft, Ghostbusters, Dick und Doof mit Stan Laurel etc. hatten mich sehr beeindruckt. In der 3. Klasse fing ich aus freien Stücken an, zu Hause Geschichten zu schreiben und übergab sie meiner Lehrerin um sie zu überprüfen. Ich hatte schon immer meine eigenen Vorstellungen und meine Filme im Kopf.

Nur war es in der Zeit sehr schwierig, seine Ideen umzusetzen. Wir hatten kein Internet, kein Youtube, kein Social Media oder ähnliches. Angefangen hat es bei mir mit 9 Jahren mit Urlaubsvideos. 1997 hatten meine Eltern eine Kamera gekauft und fingen an, damit zu filmen. Sie vertrauten mir die Kamera an und meine Mutter zeigte mir, wie sie funktioniert. So habe ich angefangen, alles mögliche zu drehen. Ich ging beispielsweise in den Park und filmte Bäume, Blumen etc. Oder ich ging in den Hof und filmte meine Freunde beim Spielen.

Nach deinen ersten Schritten im Regie-Geschäft musstest du deinen Traum fast aufgeben. 2009 ist dein Vater verstorben und du warst gezwungen dich nach anderen Jobs umzusehen. Was war in dieser Zeit los?

Es war eine sehr schlimme Zeit. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich Geld nach Hause bringen musste. In der Zeit war es schwierig seinen Lebensunterhalt mit Videoproduktionen zu verdienen, weil die Branche nicht so ausgereift war wie heute. Vor allem hatte man auch mit Vorurteilen zu kämpfen. Ich schloss die Oberschule als Jahrgangsbester ab und hatte über 160 Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz zum Mediengestalter geschrieben. Aus all den Bewerbungen resultierten aber nur 2 Einstellungstests und ein Bewerbungsgespräch. Letztendlich entschied ich mich für eine schulische Ausbildung beim OSZ KIM in Berlin. Ich musste in der Zeit meine Videoproduktionen minimieren und arbeitete in zwei Nebenjobs auf einmal.

2012 musste ich mein Studium abbrechen, weil ich mehr und mehr arbeiten musste. Ich habe meinen jüngeren Bruder bei seinem Medizinstudium und meiner kleinen Schwester bei ihrem Psychologiestudium unterstützt. Ich musste eine große Verantwortung tragen. In derselben Zeit lernte ich Dj Gan-G und Taban Jafari kennen, die auf meine Videos aufmerksam geworden sind. Sie ermöglichten mir meinen Traum weiter anzugehen. Dafür bin ich den beiden sehr dankbar. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meinem Freund Abdul El-Khatib bedanken. Das war der Wendepunkt um mich wieder voll und ganz auf die Videobranche zu konzentrieren.

Viele wissen gar nicht, dass du der „Entdecker“ von Rap-Stars wie Samra oder NGEE bist. Wie kam es dazu, dass du ihr Talent schon vor 10 Jahren gefördert hast?

2008 hatte ich angefangen Workshops im Bereich audiovisuelle Medien für Jugendliche zu geben. Dabei bemerkte ich, dass man bei solchen Projekten die volle Aufmerksamkeit der Jugendlichen bekommt. Ich fing an, Musikvideos für Kinder und Jugendliche zu drehen, schrieb Konzepte und beantragte Jugendförderprogramme um die Projekte finanzieren zu können. Vieles habe ich zu der Zeit auch ehrenamtlich gemacht, da Gelder für Förderprogramme knapp waren. Ich interessierte mich mehr und mehr für Medienpädagogik. 2010 entwickelte und realisierte ich das Hip-Hop Projekt „One Minute One Track“, für das ich den Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz erhielt.

Darin ging es darum, das Jugendliche sich mit sinnvollen und themenbezogenen Texten auseinandersetzen. Später nahm ich das alles als „One-Take“ auf und präsentierte es auf YouTube. Ich ging durch ganz Berlin und filmte zahlreiche Jugendliche Rapper, die über ihre Probleme, Gefühle etc. rappten. Ich hatte damals eine große XDCAM Kamera, mit der ich auf Mini DV Kassetten filmte. Während meine Freunde feiern gingen, ging ich mit einer großen Tasche raus, stieg in die U-Bahn und filmte junge Rapper. Von meinem Umfeld wurde ich ausgelacht und nicht ernst genommen, weil ich mit „Kindern Videos drehe“. Aber was andere immer über mich gedacht haben, hatte mich nie interessiert, weil ich mit dem was ich gemacht habe immer Spaß hatte. Leider kam es auch in die Ohren meiner Mutter, wodurch sie auch sehr traurig war. Trotzalldem stand sie immer hinter mir.

In dem Projekt waren auch Rapper zu sehen, die es heute weit gebracht haben. Große Namen wie Samra, NGEE, King Khalil und Hayat. Samra war glaube ich 14 oder 15 als er beim Projekt mitgemacht hat. Damals hatte ich ihn auf Youtube gesehen als er vielleicht zwei Musikvideos hatte. Der war schon damals sehr talentiert und hatte vor der Kamera ein enorm starkes Auftreten. Ich bin auf ihn zugekommen und wollte ihn unbedingt zur Teilnahme an dem Projekt bewegen. Er hatte schon damals eine mächtige Stimme und ging aus sich heraus. Zum Projekt hatte er dann einen sehr starken Beitrag geleistet. Sowohl menschlich, als auch raptechnisch ein super Rapper.

NGEE war 12 bis 13 Jahre alt als ich ihn für das Projekt traf. Er war sehr diszipliniert. Ich traf NGEE 2013/2014 wieder und drehte für ihn zwei Musikvideos. 2018 drehten wir zwei weitere Musikvideos. Es ist schön dabei zu sein, wie sich ein junger Rapper Step by Step aufbaut und weiterentwickelt. Von ihm kann ich ebenfalls nur Gutes berichten. Seit seiner Kindheit ist er schon absolut fokussiert gewesen.

King Khalil war um die 15 zu der Zeit als ich ihn kennengelernt habe. Was mich persönlich sehr glücklich macht, ist dass Drilon und Khalil bis heute ein unzertrennliches Team geblieben sind. Ich hatte die beiden 2010 kennengelernt und wir drehten in der Zeit viele Musikvideos. Khalil war immer respektvoll und menschlich ein super Junge. Hayat war gerade einmal 8 bis 10 Jahre alt als er beim Projekt mitwirkte. In der Zeit produzierten wir viele Musikvideos. Sein Vater war ein bekannter Musiker in der Türkei und förderte ihn auch. Seine musikalischen Künste hat er auf jeden Fall von seinem Vater geerbt. Ich freue mich sehr darüber, dass er es ebenfalls geschafft hat. Ich verfolge die Rapper bis heute und bin Stolz darauf, wie weit sie es gebracht haben. Jeder einzelne von ihnen hat es sich verdient.

Das Business hinter einem Rap-Label ist heutzutage kein Geheimnis mehr. Wie ein Budget für ein Musikvideo zustande kommt, wissen aber die Wenigsten. Woher weiß man, wie viel ein Video kosten wird und wie lernt man das Geschäft als Videoproduzent?

Hinter einer Videoproduktion stecken viele Leute. Bevor man mit dem Dreh des Musikvideos beginnt, setzt man sich zum Brainstorming zusammen und notiert Ideen, später das Konzept. Dann kommt eine Präsentation an das Label bzw. an den Künstler. Erst danach beginnt die Vorbereitung und die Produktion. Anhand des Konzepts kann man dann einen Kostenvoranschlag machen. Vom Team, Requisiten, Locationmiete, Darsteller/Komparsen/Models, Filmtiere etc. Je nachdem was man noch alles für das Musikvideo braucht, baut sich das alles auf. Jeder fängt mal klein an. Mit der Zeit lernt man vieles dazu. So auch das Geschäft.

Man hört immer mal wieder, dass es Ärger zwischen Rapper und Videoproduzent gibt. Dein Freund Daniel Zlotin berichtete schon einige Male von solchen Erlebnissen. Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

Es gibt auf jeden Fall Künstler mit denen man es etwas schwer hat zu arbeiten. Es wäre gelogen zu sagen, dass es noch nie Streit am Set gegeben hätte. Streit kann man es auch nicht nennen. Es gab eine Zeit, in der ich fürs Fernsehen produziert habe und weniger Zeit für Hip-Hop und Musikvideos hatte. Aus diesem Grund musste ich Rappern, die Musikvideos mit mir drehen wollten, Absagen erteilen. Ich bin ein Mensch der immer 100% gibt und Sachen nicht halbherzig macht. Deswegen musste ich einige Projekte ablehnen. Dort gab es auch Künstler, die kein Verständnis dafür hatten. Allerdings konnten auch hier die Wogen mit der Zeit geglättet werden. Ich kann mich mit niemanden Streiten. Das ist nicht meine Art. Ich sehe immer das Gute in den Menschen. Aber es ist nicht immer alles positiv, vor allem in dem Business.

Du warst am Dreh der Hit-Serie „4 Blocks“ beteiligt. Dabei hat ein besonderer Kamera-Shot von dir einen Trend in der deutschen Medien-Branche ausgelöst. Wie nimmst du das wahr?

Die Produktionsfirma von 4 Blocks hatte nach einem Drohnen-Operator gesucht. In der Zeit hatte ich die Musikvideos zu „Bushido & Shindy – Gott sei Dank“ und „Fler & Jalil – Zur selben Zeit“ gedreht. Viele Aufnahmen in den Musikvideos sind per Drohne entstanden. Zu der Zeit war es nicht üblich mit einer Drohne zu drehen und nicht jeder konnte es ohne Sensoren zu fliegen. So sprach es sich ein wenig herum. Heutzutage gibt es ja überall an den Drohnen Sensoren, die einen Aufprall verhindern. Kida Khodr Ramadan, der auch ein guter Freund von mir ist, hatte mich damals für die Produktion empfohlen.

Ich traf mich mit dem Produktionsleiter und gingen das Konzept durch. Ich nahm viele Szenen auf. Auch die berühmte Szene über der Sonnenallee in Neukölln. Die Szene ist auch nicht von heute auf morgen entstanden. Ich war in vielen Locations und bin ganz Neukölln abgefahren. Auch über Google Earth habe ich mir die Häuser angeschaut. Das Wetter musste natürlich auch mitspielen. So kam es dann zu der Szene. Ich freue mich sehr, dass ich einen Trend in der deutschen Medien-Branche setzen konnte. Es ist schön mit anzusehen, dass meine Videos anderen als Inspiration dienen. Ich habe die Szenen schon in einigen Reportagen von Spiegel TV und anderen Dokumentationen gesehen.

Aktuell arbeitest du sehr eng mit Massiv zusammen, unter anderem bei seinem letzten Album „Ghetto“. Was habt ihr als nächstes geplant und was steht abseits dessen demnächst bei dir an?

Massiv kenne ich seit 2009. Ich habe für ihn in den letzten 10 Jahren zahlreiche Produktionen gemacht. Er ist ein hervorragender Mensch, mit dem sich sehr gerne arbeite. Was ich bei ihm am meisten schätze, ist seine Menschlichkeit. Er hilft vielen Menschen im Hintergrund, macht das aber nicht öffentlich bzw. prahlt nicht damit rum. Postet es nicht. Daran erkennt man, dass er wirklich alles von Herzen macht. In den letzten Jahren hat sich unsere Zusammenarbeit intensiviert. Ich produziere nicht nur seine Musikvideos, sondern auch die Werbefilme für sein Shisha-Tabak und seinen Döner. Wir planen in der nächsten Zeit von Musikvideo bis hin zu weiteren Werbefilmen so einiges.

Hier seht ihr sein neuestes Projekt

 

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